Entgegen allen anderslautenden Beteuerungen und Lippenbekenntnissen wird die saarländische Jamaika-Regierung auch weiterhin kräftig bei der Bildung sparen. Das hat hierzulande Tradition und durch die Auswirkungen der Schuldenbremse wird sich diese Entwicklung weiter zuspitzen. Mit der Gemeinschaftsschule schafft man sich deshalb ein wirksames Instrument zum Sparen. Und genau das ist der vornehmliche Grund, weshalb diese Schulform im Saarland etabliert wird.
Zwei Säulen
Dem Saarland steht eine Schulstrukturreform bevor, die einschneidender ist als alle bisherigen Veränderungen der Schullandschaft. Ab dem Schuljahr 2012/2013 haben Eltern, die ihre Kinder an einer weiterführenden Schule anmelden wollen, nur noch die Auswahl zwischen dem Gymnasium und der Gemeinschaftsschule, die ähnlich funktionieren wird wie die bisherigen Gesamtschulen im Saarland. Es soll die wichtigste Reform der Jamaika-Regierung werden. Das neue Zwei-Säulen-Modell (Gymnasium und Gemeinschaftsschule) wird seit Monaten in den höchsten Tönen gepriesen. Von „gleichberechtigten Säulen“ ist die Rede, von „längerem gemeinsames Lernen“ und „Individualisierung des Unterrichts“. Eine Schule soll entstehen „in Augenhöhe mit dem Gymnasium“, heißt es – zumindest offiziell.
Sparen bis die Schwarte kracht
Das klingt alles sehr gut, genauso wie die vollmundigen Ankündigungen der anderen sogenannten Reformen und „Bildungsoffensiven“, die in den letzten beiden Jahrzehnten über uns hereingebrochen sind. Schaut man sich die jedoch genauer an, tritt schnell die Ernüchterung ein. Denn eine echte Weiterentwicklung des saarländischen Bildungssystems hat es genau genommen nie gegeben. Alle großen Veränderungen dienten immer nur dem Zweck, die Ausgabenlast in unserem hoffnungslos verschuldeten kleinen Bundesland zu verringern. Die Abschaffung der Hauptschulen und die Einführung von G8 durch das Saarland als erstes Bundesland ließen sich noch werbewirksam gegenüber der Öffentlichkeit verkaufen, waren aber im Grunde nur Sparmaßnahmen: Schulen konnten geschlossen werden, die teure Jahrgangsstufe 13 am Gymnasium ist durch G8 inzwischen weggefallen. Bildungspolitik ist und war im Saarland zugleich auch immer Sparpolitik zu Lasten der Schüler, Eltern und Lehrer. In schöner Regelmäßigkeit wurden die Klassen vergrößert und die Arbeitszeit der Lehrkräfte erhöht. Den vorläufigen Gipfel der Zumutung stellte ab dem Jahre 2005 die Schließung von etwa einem Drittel aller saarländischen Grundschulen dar. Es wird gespart bis die Schwarte kracht. Und im Moment erleben wir gerade, wie das Saarland dem bedrohlich angewachsenen Lehrermangel durch Billigkräfte entgegenwirken will. Warum kann das Saarland sowas ungestraft tun? Bildung ist in Deutschland eben Ländersache, keine nationale Verpflichtung, sondern eine regionale Angelegenheit. Es gibt ein deutliches Gefälle zwischen armen und reichen Bundesländern. Die Ausgaben für Schulen und Ausbildung richten sich daher nach der Kassenlage des jeweiligen Bundeslandes. Eine Rechtfertigung dieser Politik über die Landesgrenzen hinaus ist demnach nicht erforderlich. Niemand interessiert sich bundesweit dafür, was gerade das kleine Saarland am Rande der Republik mit seinen Schulen anstellt.
Die Schuldenfalle
Es wäre demnach naiv zu glauben, dass nun mit der Einführung der Gemeinschaftsschule die große Kehrtwende eintritt und die Tradition des Sparens auf Kosten kommender Generationen erstmals durchbrochen werde. Das Gegenteil wird der Fall sein. Die Verschuldung des Landes nimmt erschreckende Ausmaße an. Trotzdem sollen die Vorgaben der Schuldenbremse eingehalten werden, wonach das Saarland bis zum Jahr 2020 so weit sein sollte, keine neuen Kredite mehr aufnehmen zu müssen. Momentan sind wir mit mindestens 12 Milliarden Euro in der Kreide und der Schuldenberg wächst weiter. Bis 2020 sollen es neusten Schätzungen zufolge 16 Millarden sein. Hält sich das Saarland tatsächlich an die Schuldenbremse, müssen ab 2020 diese 16 Millarden auch wieder zurückgezahlt werden. Das allerdings kann Jahrzehnte dauern, Konjunktureinbrüche nicht eingerechnet. Fatalerweise ist in unserem Mini-Bundesland auch noch der Anteil der Personal- und Verwaltungskosten, die kaum verringert werden können, unverhältnismäßig groß. Wo soll also gespart werden, wenn nicht bei der Bildung, die ja schließlich den größten Teil der Landesausgaben ausmacht? Insofern war eine Änderung der Schulstruktur unerlässlich. Man brauchte ein wirksames Instrument, um möglichst problemlos und unauffällig den Rotstift ansetzen zu können. Dieses Instrument heißt Gemeinschaftsschule.
Verfügungsmasse Gemeinschaftsschule
Mit der Gemeinschaftsschule schafft sich das Land eine einzige überschaubare Verfügungsmasse für alle künftigen Einschnitte, Streichungen und Kürzungen im Schulsystem. Das Gymnasium wird geschont. Da es im Saarland eine sehr starke Lobby hat und fast schon den Status der Unantastbarkeit genießt, werden sich kommende Sparmaßnahmen zwangsläufig auf die „zweite Säule“, die Gemeinschaftsschule, konzentrieren. Der Wegfall einer dritten weiterführenden Schulform bietet zudem eine wesentlich bessere Überschaubarkeit und Planungssicherheit. Die Sparmaßnahmen können so schneller und gezielter eingesetzt werden. Die Folge: nach einer Einführungsphase von zwei bis drei Jahren droht der Gemeinschaftsschule dasselbe Schicksal wie der Gesamtschule: Sie wird nach und nach heruntergewirtschaftet (s. auch: Die „Gesamtgemeinschaftsschule“ kommt). Aus dem Zwei-Säulen-Modell wird ein Zwei-Klassen-Modell und dann erhalten wir im schlimmsten Fall nichts anderes als eine große Restschule.