Der Aufbau der Gemeinschaftsschulen könnte an der Frage der Oberstufen-Standorte für die ehemaligen Erweiterten Realschulen scheitern. Offenbar gibt es immer noch kein schlüssiges Konzept. Das Problem wird in die Zukunft verlagert
Gemeinschaftsschule statt Turbo-Abi
Die Schaffung der Gemeinschaftsschule im Saarland sollte das große Vermächtnis sein, das die vorzeitig abgelöste Jamaika-Regierung der Nachwelt hinterließ. Eine aufwändige Werbekampagne wurde ins Rollen gebracht, um den Eltern die neue Schulform als echte Alternative zum 8-jährigen Gymnasium schmackhaft zu machen. Geradezu gebetsmühlenhaft betonte der damalige Bildungsminister Klaus Kessler von den Grünen immer wieder, dass die Gemeinschaftsschule als „zweite Säule“ im Schulsystem „gleichberechtigt“ und „in Augenhöhe“ neben dem Gymnasium stehe. Ein Hort der Glückseligkeit für alle, die das Turbo-Abi ablehnen und lieber stressfrei zur Hochschulreife kommen wollen. Es entstand der Eindruck, mit der Entscheidung für die Gemeinschaftsschule seien im Saarland schlagartig alle Bildungshürden abgebaut und es gebe künftig nur noch angehende Abiturienten. Doch die nüchterne Schul-Realität sieht natürlich völlig anders aus. Ungefähr 50 Prozent aller Schüler, die an Gemeinschaftsschulen angemeldet werden, sind Hauptschüler (sie existieren noch, obwohl die Hauptschule abgeschafft wurde), die anderen machen überwiegend einen mittleren Bildungsabschluss. Nur ein kleiner Rest (allenfalls 10 Prozent eines Jahrgangs) schafft das Abitur oder eine Fachhochschulreife. In diesem Rahmen bewegen sich jedenfalls die Zahlen der vergangenen Jahre zu den Gesamtschulen. Dort hat sich durch die Umwandlung in Gemeinschaftsschulen kaum etwas geändert. Eine Oberstufe war immer schon fester Bestandteil der Schulordnung, entweder in Kooperation mit einem Gymnasium oder als eigenständige Oberstufe für mehrere Gesamtschulen im Verbundsystem.
Das Dilemma der Erweiterten Realschulen
Ganz schlechte Karten haben allerdings die Erweiterten Realschulen, die erst noch Oberstufen einrichten müssen. Obwohl sie den größten Anteil der Gemeinschaftsschulen ausmachen (71 Prozent), ist dort bislang noch nichts geregelt. Alle Eltern, die ihre Kinder bisher an einer ERS-Gemeinschaftsschule angemeldet haben, tappen in Sachen Oberstufe noch völlig im Dunkeln. Noch immer ist völlig unklar, ob es ein Verbund-System geben wird oder eine Kooperationslösung mit einem Gymnasium. Vorteilhafter für die Schüler wäre auf jeden Fall der Verbund. Denn an einer eigenen Oberstufe werden ausschließlich Gemeinschaftsschüler mit gleichem Kenntnisstand auf das Abitur vorbereitet. Am Gymnasium dürfte der Anschluss bedeutend schwieriger sein, selbst wenn dort die Klasse 10 noch mal wiederholt wird. Ob es jedoch tatsächlich zu neuen Verbundsystemen kommen wird, ist mehr als fraglich. Denn dazu müssten komplette Oberstufen (Klassen 11 bis 13) neu personalisiert werden mit Gymnasial-Lehrkräften, die an den Erweiterten Realschulen so gut wie nicht vorhanden sind. Eine Zwangsrekrutierung mit Personal von den Gymnasien würde nur böses Blut schaffen und wäre erfahrungsgemäß eher kontraproduktiv. Und Neueinstellungen sind zu Zeiten des Schülerrückgangs und der Schuldenbremse wohl illusorisch.
Eltern brauchen Planungssicherheit
Viele offene Fragen und keine eindeutigen Antworten. Die ersten Oberstufen von Gemeinschaftsschulen werden im Schuljahr 2018/2019 entstehen. So lange sollte man nicht warten. Konkrete Oberstufen-Pläne müssten jetzt schon vorliegen. Eltern haben ein Recht darauf, zu wissen, was auf ihre Kinder zukommt.
Anmerkung: Dieser Beitrag ist auch eine Reaktion auf die Äußerungen des Sprechers des Arbeitskreises der Schulleiter an Gemeinschaftsschulen, Arno Heinz (Saarbrücker Zeitung vom 8.8.2013). Heinz` Forderung nach Klarheit für die Oberstufen-Standorte ist sicherlich berechtigt. PiSAAR distanziert sich jedoch ausdrücklich von dessen Bereitschaft, Schulschließungen wegen geringer Anmeldezahlen zu akzeptieren. Hier dürfte Heinz sich (mal wieder) völlig vergaloppiert haben. Weiß er eigentlich, für wen er spricht?