„Freiheit ist kein Privileg, das verliehen wird, sondern eine Gewohnheit, die erworben werden muss.“ (Henry George)
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
spüren Sie schon etwas von den neuen Freiheiten? Man ist ja in einem rettungslos verschuldeten Bundesland als Bildungs-Blogger quasi der Nörgler vom Dienst. Die frohen Botschaften sind dünn gesät und ein neues Schuljahr beginnt für die Schulen und Lehrkräfte fast immer mit zusätzlichen Belastungen. Doch diesmal war ich zunächst angenehm überrascht: Die Schulen (Berufsschulen noch ausgenommen) sollen mit neuen Freiheiten ausgestattet werden! An einer solchen Meldung, verbreitet als großformatige Überschrift in der Saarbrücker Zeitung, kann doch nichts Schlechtes dran sein. Doch Sie werden es schon ahnen: der Pferdefuß lässt nicht lange auf sich warten. Bei genauem Hinsehen konnte man der euphorischen SZ-Berichterstattung auch entnehmen, dass wohl nicht alle so glücklich sind über die neu gewonnenen Rechte. Die Lehrerverbände übten verhaltene Kritik. Das heißt, der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband (SLLV) wagte als einziger, diese Freiheiten in Frage zu stellen. Von der GEW war nichts zu hören. So ganz nebenbei: Wo ist eigentlich die GEW? Falls sie jemand findet, bitte ich um Rückmeldung.
Gegen zusätzliche Freiräume für die Schulen ist im Prinzip nichts einzuwenden. Damit sie jedoch ausgeübt werden können, entstehen neue Verpflichtungen für das Personal. Und das sind an den Schulen überwiegend die Lehrkräfte. Soll beispielsweise eine neue Pausenregelung eingeführt werden, wird die Schulleitung das sicherlich nicht tun, ohne Eltern, Lehrer und Schüler mit einzubeziehen. Es müssen also Vorschläge erarbeitet werden, Besprechungen finden statt und die neue Pausenregelung sollte von einer breiten Mehrheit aller Betroffenen getragen werden.
Alle zusätzlichen Freiräume und Freiheiten müssen immer wieder erarbeitet und umgesetzt werden. Doch dafür fehlt das Personal. Ich muss daran erinnern: Das „Kerngeschäft“ der Lehrkräfte ist der Unterricht und alles, was damit zusammenhängt (Vorbereitung, Nachbereitung, Korrekturen usw.). Doch ausgerechnet dafür bleibt immer weniger Zeit. Die zusätzlichen Aufgaben nehmen seit Jahren zu. Konferenzen, Dienstbesprechungen, Arbeitskreise, Fortbildungen, Eltern- und Schülergespräche, Klassenfahrten, Zeugnisse schreiben – der Umfang der Zusatzverpflichtungen hat sich inzwischen so aufgebläht, dass der Unterricht darunter leidet. Das Aufgabenfeld eines Lehrers ist heute nahezu beliebig, doch seine Bezahlung richtet sich ganz allein nach der Anzahl der zu unterrichtenden Stunden. Die wiederum wurden bei uns in den letzten 20 Jahren schon drei mal erhöht und sind bundesweit mit am höchsten. An Gemeinschaftsschulen müssen immer noch 27, an Gymnasien 26 und an den Grundschulen 28,5 Stunden pro Woche gehalten werden. Und zudem: Was rechtfertigt eigentlich die Unterschiede, die hier gemacht werden? Der Unterricht an den Gemeinschaftsschulen ist mit Sicherheit nicht einfacher als am Gymnasium.
Mehr Selbstbestimmungsrechte sind schön und gut. Doch dann muss die Politik auch die erforderlichen Ressourcen für deren Ausübung bereitstellen. Es darf nicht sein, dass den saarländischen Lehrkräften neben der hohen Unterrichtsverpflichtung noch unbegrenzt zusätzliche Lasten aufgebürdet werden können.
Im Saarland wird seit Jahren sehr viel über das Thema Lehrergesundheit geredet. Aber nichts passiert. Es gibt keine Altersregelung für den Übergang in den Ruhestand. Es ist seit langem bekannt, dass bei uns besonders viele Kolleginnen und Kollegen krank oder frustriert das Handtuch werfen und mit großen finanziellen Einbußen vorzeitig in den Ruhestand gehen. Andere flüchten in die Teilzeit, was aber oftmals nicht viel nützt. Dadurch wird nur der Umfang des Unterrichts reduziert. Alle anderen Verpflichtungen (z.B. als KlassenlehrerIn) bleiben bestehen.
Es ist eine geschickte Strategie, von Rechten zu sprechen, jedoch Verpflichtungen zu meinen. Der Regelungsbedarf wird quasi von der Ebene der Verwaltung auf die der Schulen übertragen. Und die neuen Rechte hören spätestens dort auf, wo`s ums Geld geht.