Ein Rollentausch und die Folgen
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) tut sich schwer im Umgang mit ihrem langjährigen Vorsitzenden Klaus Kessler. Kessler führte 17 Jahre lang die saarländische GEW und stellt nun in der neuen Jamaika-Landesregierung den Bildungsminister bei den Grünen.
Die Reaktionen schwanken zwischen harscher Kritik und dem Bemühen, sich gegenüber dem ehemaligen GEW-Chef noch irgendwie solidarisch zu verhalten. Der Wechsel Kesslers vom renommierten Arbeitnehmervertreter zum obersten saarländischen Bildungs-Boss ist ein Vorgang, an dem die GEW ordentlich zu knabbern hat. Das zeigt sich nun erstmals in der Einschätzung des geplanten fünften Grundschuljahres. GEW-Vorstandsmitglied Ilka Hoffmann ließ in einer Presseerklärung der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule (GGG) kein gutes Haar an dem Vorhaben. Der neue GEW-Chef Peter Balnis hingegen ruderte zurück und bezeichnete Hoffmanns Ansichten als private Meinungsäußerung.
Tatsächlich gibt es bis jetzt kaum jemand, der diesen faulen Kompromiss gutheißen würde. Selbst Kessler nicht. Wäre er noch GEW-Vorsitzender, hätte er für die Absicht, dem längeren gemeinsamen Lernen durch ein fünftes Grundschuljahr zu entsprechen, nur Kritik, Hohn und Spott übrig gehabt. Der „elende Kompromiss“ (GGG-Presseerklärung) ist sicherlich auch nicht auf Kesslers Mist gewachsen. Er ist einfach nur das, was bei dem Geschacher der Koalitonsvereinbarungen der Grünen mit CDU und FDP herausgekommen ist. Kessler musste sich also, um Bildungsminister in der Jamaika-Koalition zu werden, bereits gehörig biegen, bevor er im Amt war. Man darf gespannt sein, wie er sich nun als „Realpolitiker“ an seinen Überzeugungen vorbeimanövriert.