Von den 2400 Stellen, die in den nächsten sieben Jahren zur Einhaltung der Schuldenbremse im Öffentlichen Dienst des Saarlandes abgebaut werden sollen, gehen etwa 1000 zu Lasten der Bildung. 588 Stellen fallen bei den Lehrkräften weg. Der Universität werden 21,1 Millionen Euro gestrichen, was in etwa dem Verlust von 422 Stellen entspricht. Knapp 42 Prozent der Einsparungen werden somit dazu beitragen, dass sich die ohnehin schon miserable Bildungssituation des Saarlandes weiter verschärft.
Flickschusterei
Schon jetzt ist an vielen saarländischen Schulen die Grenze des Zumutbaren erreicht. Unterrichtsausfälle häufen sich. Qualifizierte Lehrkräfte fehlen an vielen Stellen. Flickschusterei ist an der Tagesordnung, denn ein Großteil des Unterrichts muss durch unzureichend ausgebildetes Personal und befristete Kräfte abgedeckt werden. Allen voran die Referendare. Sie sollten im Ausbildungsunterricht den Lehrerberuf eigentlich erst mal von Grund auf lernen. Darauf wird jedoch keine Rücksicht genommen. Die Schulleitungen scheuen nicht davor zurück, sie von Anfang an mit bis zu 14 Unterrichtsstunden pro Woche für den ganz normalen Unterricht zu verbraten. Viele verlieren so schon zu Beginn ihrer Lehrerkarriere die Lust am Job und steigen frühzeitig aus.
Wenn Klassen zudem immer häufiger von Lehrkräften mit befristeten Verträgen unterrichtet werden, ist das besonders bedenklich im Hinblick auf die vielen Problemschüler. Gerade sie brauchen Kontinuität und sollten möglichst über mehrere Schuljahre hinweg von festen Bezugspersonen unterrichtet werden. Wer an der Schule nur ein kurzes Gastspiel gibt, wird in der Regel nicht akzeptiert.
Das Märchen von den 1400 Lehrerstellen
In dieser Situation, in der schon ein Großteil des Unterrichts von befristet Beschäftigten gehalten wird, sollen also bei den fest Beschäftigten in den nächsten Jahren noch fast 600 Stellen wegfallen. Ist das Ignoranz oder Blindheit?
Jedenfalls wird versucht, den Saarländern ein Märchen aufzutischen: 1400 Lehrerstellen würden allein schon durch den Rückgang der Schülerzahlen wegfallen. Es blieben also abzüglich der geplanten Streichungen immer noch 800 Stellen übrig, die den Kindertagesstätten, den Krippen, dem Kooperationsjahr und der Inklusion zu gute kommen sollen. Ja, damit könnten sogar die Klassengrößen weiter verringert werden! Doch das ist Bildungspolitik mit dem Taschenrechner, eine reine Milchmädchenrechnung, die sich ausschließlich auf die aktuelle Geburtenstatistik bezieht und den zusätzlichen Bedarf an Lehrkräften aus anderen Gründen vollkommen ignoriert.
Hilfreich ist an dieser Stelle ein Blick auf Nordrhein-Westfalen, wo sich die rot-grüne Landesregierung jetzt ebenfalls auf Kosten der Bildung sanieren will. Dort hat der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm in einem Gutachten festgestellt, dass trotz eines Schülerrückgangs von 16 Prozent bis zum Jahre 2019 durch zentrale Reformvorhaben wie beispielsweise die Inklusion sogar noch ein Zusatzbedarf von 4300 Fachkräften entstehe.
Dieser Zusatzbedarf dürfte im Saarland prozentual noch wesentlich höher sein. Denn im Vergleich zu NRW hat sich bei uns inzwischen ein weitaus größerer Reformstau gebildet, der erst einmal abgebaut werden müsste. Genannt seien nur:
- die Umstrukturierung der Erweiterten Realschulen in Gemeinschaftsschulen
- die Umsetzung der Inklusion, insbesondere an den saarländischen Grundschulen
- der weitere Ausbau der Ganztagsschulen (das Saarland hat hier nach Bayern das schlechteste Angebot)
- die Verabschiedung vom krampfhaften Festhalten an G8
- die Abschaffung der Besoldungsnachteile (insbesondere bei der Eingangsbesoldung) gegenüber den anderen Bundesländern, um Abwanderungen zu vermeiden und damit die Voraussetzung zu schaffen, gut ausgebildete Lehrkräfte einstellen zu können
- die Verbesserung der Arbeitsbedingungen älterer Lehrkräfte durch ein geeignetes Altersteilzeit-Modell. Hintergrund: Fast die Hälfte aller Lehrer an den saarländischen allgemein bildenden Schulen ist älter als 50 Jahre. Das Saarland hat zudem mit 39 Prozent bundesweit den mit Abstand größten Anteil an Lehrkräften, die vorzeitig in Ruhestand gehen oder besser gesagt: das Handtuch werfen.
Wo bleibt der Aufschrei?
Die genannten Stellenkürzungen wurden am 8. Juni von der Regierungskoalition aus CDU und SPD beschlossen. Mit am Tisch saßen auch die Vertreter der Gewerkschaften (außer Verdi). Geradezu fatalistisch wirkt die Reaktion des saarländischen GEW-Landesvorsitzenden Peter Balnis: man habe die Beschlüsse der Landesregierung zur Kenntnis genommen aber nicht gebilligt. Und der Saar-DGB-Vorsitzende Eugen Roth, der in Doppelfunktion noch für die SPD im Landtag sitzt, glänzt vor Zufriedenheit über das Erreichte. Es kam dann noch so ein Hauch von Kritik von Seiten der Oppositionsparteien. Und das war`s dann auch. Die bildungspolitische Bankrotterklärung hatte stattgefunden und niemand hat es richtig bemerkt …