Verkommenheit in der Politik: das Beispiel Hubert Ulrich

Dank Hubert Ulrich gibt es für PiSAAR auch in diesen langweiligen Zeiten der saarländischen Regierungsbildung immer noch Erstaunliches zu berichten. Der Grünen-Vorsitzende liefert inzwischen ausreichend Stoff, um damit Bücher zu füllen. Bücher etwa über die zunehmende Verkommenheit der politischen Kultur oder die Unfähigkeit einer Partei, sich gegen die Willkür ihres Vorsitzenden zu wehren.
Die Grünen stellen bundesweit zur Zeit 12,8 Prozent der Abgeordneten in den Länderparlamenten. In den meisten Bundesländern ist die Öko-Partei mit zweistelligen Prozentwerten vertreten. Im Saarland sieht es dagegen düster aus. Hier bewegen sich die Grünen seit der Gründung des Landesverbands im Jahre 1979 beständig im Bereich der 5-Prozent-Marke oder darunter.

Zwei mal über die 5 Prozent getrickst
Hubert Ulrich, Vorsitzender der saarländischen Grünen seit 1991 (mit kurzer Unterbrechung wegen einer Dienstwagen-Affaire), stört das wenig. Es ist ihm vermutlich sogar ganz recht. Denn je mehr Grünen-Abgeordnete im saarländischen Landtag vertreten sind, desto unsicherer wird seine politische Stellung und er müsste mit Widerstand rechnen. Deshalb war die Jamaika-Konstellation für ihn geradezu ideal. Von Claudia Willger und Markus Schmitt war nichts zu befürchten, sie waren ihm gnädig untertan. Nur hatte der grüne Strippenzieher damals nicht damit gerechnet, dass die von ihm eingefädelte Jamaika-Regierung schon nach zwei Jahren aufgelöst wird. Ulrich musste somit die Landtags-Kandidatur seiner einstigen Gegnerin Simone Peter hinnehmen, die ihm vorher als Ministerin nicht gefährlich werden konnte. Und noch schlimmer: Er war sogar auf sie angewiesen, um überhaupt wieder in den Landtag einziehen zu können. Doch Ulrich wäre nicht Ulrich, wenn es ihm nicht gelingen würde, auch in dieser Situation für sich das Bestmögliche rauszuschlagen. Er wusste, dass seine Beliebtheitswerte wegen des Wahlbetrugs und der Jamaika-Spendenaffäre inzwischen ins Bodenlose gerutscht waren. Um dennoch wieder Landtagsabgeordneter zu werden, machte er sich im Wahlkampf quasi unsichtbar und spannte die ehemalige Umweltministerin Simone Peter vor den Karren. Das war diesmal die einzige Chance der Grünen, wieder in den Landtag zurückzukehren. Wie wir wissen, hat auch dieser Trick funktioniert. 2009 war es die Zweitstimmenkampagne, mit der Ulrich penetrant bei der SPD auf Stimmenfang ging. 2012 lässt er einfach jemand anderes für sich die Arbeit machen.

Grüne Lachnummer und Versorgungsmentalität
Soviel Cleverness wäre fast schon bewundernswert, wenn sie nicht ausschließlich dem eigenen Vorteil dienen würde. Denn jetzt, nachdem er dank der Popularität von Simone Peter wieder Landtagsabgeordneter wurde, will er auch schon wieder den Fraktionsvorsitz mit doppelten Abgeordnetenbezügen für sich geltend machen. Die Größenordnung dieser Unverfrorenheit wird sogar beim Grünen-Ortsverband Saarlouis, Ulrichs Hausmacht, wahrgenommen. Seine Saarlouiser Mitglieder schlagen ihm daher vor, sich den Fraktionsvorsitz mit Simone Peter zu teilen. Jeder zweieinhalb Jahre. Doch auch dieser faule Kompromiss trägt nicht der Tatsache Rechnung, dass der Grünen-Vorsitzende durch seine Kandidatur das Abrutschen der Saar-Grünen unter die 5-Prozent-Marke bewusst in Kauf genommen hat. Es war ein gewagtes Spiel, das angesichts der gerade mal so erreichten 5,0 Prozent beinahe schief gegangen wäre. Man kann verstehen, dass Simone Peter sich nicht auf diesen Kuhhandel einlassen will. Sie war das Zugpferd im Wahlkampf, sie hat das Schlimmste verhindert und will verständlicherweise auch die verdiente Anerkennung. Ulrichs unverschämter Anspruch auf einen Fraktionsvorsitz sorgt indessen landesweit für Unverständnis und Kopfschütteln. Und die Grünen-”Fraktion” wird zur Lachnummer: Zwei Abgeordnete erheben den Anspruch, eine Fraktion zu sein (bundesweit einmalig!) und sind nicht in der Lage zu bestimmen, wer von beiden denn nun Vorsitzender des anderen werden soll.

Die Angst vorm grünen Mann
Doch auch ein Mann wie Ulrich kann seine Kräfte nur entfalten, wenn man ihn lässt. Ernstzunehmende innerparteiliche Gegner lassen sich bis jetzt nicht ausmachen. Deutliche Kritik kommt lediglich von der Grünen Jugend Saar.
Unverständlich ist vor allem, warum sich der Ortsverband Saarlouis offensichtlich immer noch als Machthebel Ulrichs missbrauchen lässt. Denn der Kreisvorsitzende von Saarlouis ist kein Geringerer als der ehemalige Bildungsminister Klaus Kessler. Er kandidierte bei der Landtagswahl auf Platz drei. Ihm hat daher das Negativ-Image Ulrichs, der sich auf den sicheren Platz zwei setzte, ganz eindeutig den Einzug ins Landesparlament vermasselt. Ist Kesslers Einfluss als Kreisvorsitzender so gering, dass er Ulrich völlig freie Hand lassen muss? Was macht den “Mafioso” (Daniel Cohn-Bendit über Ulrich) so mächtig, dass alle den Schwanz einziehen?

Das Beispiel Spiesen-Elversberg
Es ist vor allem die unfeine Art, wie Ulrich die meist ahnungslosen Grünen-Mitglieder in seinem Sinne beeinflusst. Beispiel: Ortsverband Spiesen-Elversberg. Dort gab es einen gut arbeitenden Vorstand. Die Mitgliederzahlen wuchsen sprunghaft an. Zum Missfallen Hubert Ulrichs hatte die Vorsitzende des Ortsverbands jedoch die Angewohnheit, sich ab und zu Rat bei Ulrichs Erzfeind Andreas Pollak einzuholen. Der “Panzer” witterte Gefahr und reagierte knallhart. Vor der nächsten Mitgliederversammlung, bei der auch der Vorstand neu gewählt werden sollte, rief Ulrich all’ die vielen neuen Mitglieder des Spiesen-Elversberger Ortsverbands an und machte ihnen unmissverständlich klar, dass die Vorsitzende unbedingt abgewählt werden müsse. Gleichzeitig favorisierte er auch schon seinen Gegenkandidat. Er erschien natürlich “persönlich” auf der Mitgliederversammlung und sorgte kraft seiner Autorität als Landesvorsitzender dafür, dass die bisherige Vorsitzende abgewählt und sein nichtssagender Gegenkandidat neuer Ortsvorsitzender wurde.

Heute ist der Grünen-Ortsverband Spiesen-Elversberg de Facto nicht mehr vorhanden.

Grüne Kuriositäten

Der unsichtbare Spitzenkandidat

Der Grüne Hubert Ulrich hat sein Wahlziel erreicht: er ist wieder Landtagsabgeordneter. Das ist ihm gelungen, indem er genau das Gegenteil von dem gemacht hat, was ein Politiker tut, um gewählt zu werden. Ulrich hat sich im Wahlkampf geradezu versteckt, statt wie das üblich ist, so oft wie möglich öffentlich in Erscheinung zu treten. Es gab kein einziges Wahlplakat mit seinem Konterfei. Der bauernschlaue Grünen-Stratege zeigte mit akribischer Sorgfalt politische Abstinenz statt Präsenz. Ihm war demnach vollkommen klar, dass seine Person dem Ansehen und dem Erfolg der Grünen bei der Landtagswahl nur schaden kann. Ein Rücktritt wäre die logische Konsequenz gewesen, zumal Ulrich dieses ganze Jamaika-Desaster verursacht hatte. Stattdessen „überließ“ er der ehemaligen Umweltministerin Simone Peter die Spitzenkandidatur, setzte sich jedoch auf den sicheren zweiten Platz und nahm damit das Scheitern seiner Partei an der 5-Prozent-Hürde bewusst in Kauf. Dass es nun mit genau fünf Prozent gerade noch so gereicht hat, ist, gemäß seinem Kalkül, allein der Popularität Simone Peters zu verdanken.

Sind zwei Abgeordnete eine Fraktion?

Da den Grünen durch das knappe Wahlergebnis im Landtag nur zwei Abgeordnete zustehen, kommt wieder mal so eine spezielle saarländische Besonderheit zum Tragen: Auch wenn eine Partei im Landtag nur zwei Abgeordnete stellt, sind diese nach saarländischem Recht schon eine Fraktion. Und damit steht dieser Fraktion auch ein Fraktionsführer zu, der das doppelte eines normalen Abgeordneten verdient. Doppelte Diäten also für die Aufgabe, sich selbst und noch eine andere Person zu „führen“. Das gibt es in keinem anderen Bundesland!
Diese Situation entstand schon einmal, als die ehemalige Grünen-Landtagsabgeordnete Barbara Spaniol zu der Linkspartei wechselte. Ulrich, der den Fraktionsvorsitz immer schon für sich gepachtet hatte, durfte damals im Zweiergespann mit Claudia Willger-Lambert weiterhin doppelt kassieren. Er wird auch jetzt wieder auf diese großzügige finanzielle Ausstattung spekulieren, die das Land jährlich etwa 50000 € zusätzlich kostet.
Nebenbei bemerkt: Diese irrwitzige Regelung haben die Grünen der SPD zu verdanken. Der ehemalige SPD-Ministerpräsident Reinhard Klimmt wollte damit den Grünen einen Gefallen tun, um sie sich für eine mögliche Koalition warm zu halten. Es hat ihm bis jetzt nichts genützt, wie wir inzwischen alle wissen.
Die neue Regierung sollte schleunigst für den Fraktionsstatus wieder drei Abgeordnete verpflichtend machen. Diese Zweier-Sonderregelung ist nach außen hin nicht zu vermitteln, zumal das Saarland die Schuldenbremse einhalten muss, was ja von den Regierungskoalitionsparteien CDU und SPD immer wieder betont wird. Außerdem machen wir uns zum Gespött für die ganze Republik.

Zwei Grüne, die sich nicht grün sind

Mit der Mini-Fraktion aus Simone Peter und Hubert Ulrich kommen zwei Grüne in den Landtag, die sich untereinander alles andere als grün sind (wir berichteten). Simone Peter muss sich nun allein gegen den Intriganten und Strippenzieher Ulrich durchsetzen. Das wird äußerst schwierig, zumal Ulrich immer noch seine Hausmacht, die Delegierten aus Saarlouis, hinter sich hat. Die Saarlouiser Delegierten bilden einen Anteil von fast 50 Prozent. Damit beherrscht Ulrich den Landesverband fast nach Belieben. Es könnte jedoch sein, dass auch dort nach Jamaika seine Beliebtheitswerte gesunken sind. Für diesen Fall hat Ulrich sicherlich auch schon eine Lösung bereit: Er bietet Simone Peter den Landesvorsitz an und sie überlässt ihm im Gegenzug den Fraktionsvorsitz. Damit kann er die nächsten fünf Jahre gut leben.