“Jamaika” und viele peinliche Fragen

Saar-Grüne müssen das Thema „Hubert Ulrich“ aufarbeiten

„Jamaika“ ist beschlossene Sache. Auch wenn an der Art und Weise, wie dieses Bündnis zustande kam, inzwischen immer mehr Kritik laut wird, so ist doch zumindest formal alles korrekt gelaufen. Was auf jeden Fall bleibt, ist ein übler Nachgeschmack und viele peinliche Fragen. Für die saarländischen Grünen sind es Existenzfragen.

Ein Großteil der Grünen-Wähler fühlt sich schlichtweg betrogen. Sie hätten niemals erwartet, dass ihre Stimme Peter Müller (CDU) dazu verhelfen würde, wieder Ministerpräsident zu werden. Lafontaines Wahlslogan „Wer Grün wählt, wird sich schwarz ärgern“ wurde von vielen Leuten als üble Stimmungsmache angesehen und hatte sogar gegenüber der grünen Partei einen gewissen Solidarisierungseffekt hervorgerufen. Niemand ahnte, dass der Landesvorsitzende der saarländischen Grünen, Hubert Ulrich, offensichtlich immer schon sehr nahe an Schwarz-Gelb dran war.

Zu nahe, wie viele jetzt behaupten. Man denke nur an Ulrichs Tätigkeit für den saarländischen Großunternehmer und FDP-Politiker Hartmut Ostermann in den Jahren ab 2002, nach der Affaire um Ford-Pkws und Behörden-Rabatte. Wie gehen die saarländischen Grünen nun damit um, dass Ulrich sie womöglich wegen privater Verpflichtungen (Ostermann) und Befindlichkeiten (Stichwort Andreas Pollak) gnadenlos über den Tisch gezogen hat? Was werden sie tun, wenn weitere Ungereimtheiten ans Tageslicht kommen?

Als cleverer Politiker musste Ulrich gewusst haben, dass die mit aller Macht durchgedrückte Jamaika-Koalition seine Partei mit großer Wahrscheinlichkeit in den politischen Abgrund führen wird. Waren ihm demnach private Interessen wichtiger als politische Ziele? Wenn es den Saar-Grünen nicht gelingt, all diese Fragen aufzuarbeiten, droht ihnen die Bedeutungslosigkeit.

Saar-Grüne beschließen “Jamaika”

Die saarländischen Grünen haben sich für Jamaika entschlossen. Koalitionsverhandlungen mit CDU und FDP sollen aufgenommen werden. Damit entsteht im Saarland ähnlich wie in Thüringen ein Regierungsbündnis, für das offenbar allein die persönlichen Befindlichkeiten der  jeweiligen Parteivorsitzenden ausschlaggebend waren.

Neuer Politikstil?

Geltungssucht steht vor gesundem Menschenverstand. Persönliche Animositäten verdrängen die politischen Inhalte. Ist das der neue Politikstil, an den wir uns gewöhnen müssen? Im Moment sieht es jedenfalls so aus. Da haben wir beispielsweise den thüringischen SPD-Chef Christoph Matschie. Er streitet noch im Wahlkampf voller Inbrunst gegen eine Regierungsbeteiligung der CDU. Jetzt beschließt er Koalitionsverhandlungen mit dem einstigen Gegner, obwohl eine satte Mehrheit mit den Linken möglich wäre, und fällt damit gleichzeitig seiner eigenen Partei in den Rücken.

Und nehmen wir jetzt noch den Vorsitzenden der saarländischen Grünen, Hubert Ulrich. Er macht vor der Landtagswahl immer wieder deutlich, dass die SPD ihm als Koalitionspartner am sympathischsten wäre. Viele Wählerinnen und Wähler haben Angst, die kleine Partei könnte an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern und wählen Grün um Schwarz zu verhindern.

Schwarz wird grün

Doch nach der Wahl kommt alles anders. Ulrich lässt sich in den Sondierungsgesprächen von der CDU Zugeständnisse machen, an die kein Mensch ernsthaft glauben kann. Ministerpräsident Peter Müller mutiert auf einmal zum Grünen und akzeptiert jetzt alles, was er früher immer bekämpft hat. Dass von Müllers Versprechungen nicht viel zu halten ist, hat er in den 10 Jahren seiner Regentschaft oft genug unter Beweis gestellt. Jüngstes Beispiel: Schulschließungen sollten von der Zustimmung des Schulträgers abhängig gemacht werden. Groß angekündigt, aber niemals durchgeführt. Die notwendige Änderung im Schulordnungsgesetz fehlt bis heute.

Ulrich hat Rot-Rot-Grün nie ernsthaft in Erwägung gezogen

Doch um nun endgültig alle Brücken zum ehemaligen Wunschpartner SPD abzubauen, setzt Ulrich noch eins drauf: Für ihn ist die Absicht Oskar Lafontaines, als Linken-Fraktionsführer im Saarland zu bleiben, der Versuch, sich als heimlicher Ministerpräsident neben Heiko Maas aufzubauen. Gegenüber Maas ist dies eine unglaubliche Entgleisung, die von dem Vorsitzenden einer Partei kommt, die noch nicht einmal 6 Prozent der Stimmen erreicht hat.

Alle lang angestauten Ressentiments gegen die Linke brechen nun förmlich aus ihm heraus. Vor allem den Wechsel der ehemals grünen Landtagsabgeordneten Barbara Spaniol zu der Links-Partei hat er nie richtig überwunden. Denn seitdem fehlt den Saar-Grünen die kompetente Stimme auf dem wichtigen Feld der Bildungspolitik. Alle, die ihm den Rücken gekehrt haben, hält er für mögliche Verräter in einem Rot-Rot-Grünen Bündnis. Oskar Lafontaine, so Ulrich, solle dieses Problem „aus der Weltschaffen“, sonst werde nichts aus Rot-Rot-Grün.
Doch zu einer Trennung gehören immer zwei. Barbara Spaniol, die immer für Rot-Rot-Grün warb, verließ die Partei erst als Ulrich offenbar schon mit einer Jamaika-Koalition liebäugelte.

Es wird nun Zeit, dass die saarländischen Grünen sich endlich von einem Vorsitzenden lösen, der sie wie einen Tanzbär mit dem Ring in der Nase hinter sich her zieht. Diese Koalition ist Gift für die Grünen – Giftgrün eben.